Die TEN lässt regelmäßig die Hochspannungsleitungen per Hubschrauber prüfen.
Guido Werner/TEN

Intelligente und flexible Netze für die Zukunft

Energiewende stärken

Wind und Sonne richten sich nicht nach dem Energiebedarf der Haushalte und Unternehmen. Damit Strombedarf und Stromerzeugung sowohl bei kräftigem Wind und Sonnenschein als auch bei „Dunkelflaute“ im Gleichgewicht bleiben, muss das 110-kV-Netz ohne Zeitverzug und höchst flexibel auf Angebots- und Nachfrageschwankungen reagieren. Für ein solches „intelligentes“ Netz hat die TEN Thüringer Energienetze GmbH & CO. KG in den letzten Jahren viel investiert. Denn das Strom-Verteilnetz ist auch das Rückgrat der Energiewende.

Dank innovativer Leit- und Schutztechnik sowie verstärkten Transformatoren steuert sich das Netz jederzeit automatisch auf die erforderliche Spannung aus und ist so auf dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien vorbereitet. Ralph Litzkendorf, TEN-Bereichsleiter „Bau und Betrieb Strom“, und sein 67-köpfiges Team sind für den Netzausbau, die Störungsbearbeitung und die Instandsetzung der Umspannwerke und Hochspannungsleitungen des 110-kV-Netzes in Thüringen zuständig.

Im Gespräch erzählt Ralph Litzkendorf, wie das 110-kV-Netz von morgen gestaltet wird.

Ralph Litzkendorf
TEN

Warum kommt dem 110-kV-Netz eine so wichtige Rolle für das Gelingen der Energiewende zu?

Das 110-kV-Netz, auch Hochspannungsnetz genannt, ist mit seinen 1.508 Kilometern Länge und den 91 Umspannwerken der Mittler zwischen dem überregionalen Höchstspannungsnetz auf der einen und den lokalen Verteilnetzen in den Städten und Gemeinden auf der anderen Seite. Es ist zugleich das Sammel- und Verteilnetz für den regional erzeugten Öko-Strom, hier in Thüringen, hauptsächlich aus Windparks und großen Solarparks. Da die Erzeugung erneuerbarer Energien bundesweit und auch in Thüringen sprunghaft gestiegen ist und weiter kräftig steigen soll, müssen wir die Leistungsfähigkeit unseres Netzes stetig ausbauen. Dafür investieren wir kräftig in Netzausbau und -ertüchtigung. Sonst würden wir die Energiewende ausbremsen.

Können Sie das mit Zahlen anschaulich machen?

Immer mehr Strom, der in Thüringen verbraucht wird, wird auch in Thüringen erneuerbar erzeugt. Häufig liegt die Quote schon bei 50 Prozent. Aber nicht nur das. Die Zahl der Tage, an denen wir grünen Strom aus Thüringen in das vorgelagerte Höchstspannungsnetz eingespeist haben, stieg zwischen 2017 und 2018 von 110 auf 161 Tage. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Zubau-Prognosen für das Jahr 2030 rechnen für Thüringen mit einer Nennleistung der Anlagen erneuerbarer Energien, die um das Dreifache höher ist als der durchschnittliche Tagesbedarf. Wetterabhängig erzeugen die Anlagen zwischen 30 und 70 Prozent ihrer Nennleistung. Aber die Zahlen zeigen deutlich die Tendenz und damit den erheblichen Bedarf an Ausbau und Kapazitätserweiterung in unserem Hochspannungsnetz.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in den nächsten Jahren Sie sehen eine Verantwortung der Kommunen. Was meinen Sie damit?

Die größten Herausforderungen sind weniger technischer oder finanzieller Natur. Sie liegen neben den schwierigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren hauptsächlich darin, die Akzeptanz der Bürger und der Kommunalpolitik vor Ort für den Netzausbau und den Bau von Umspannanlagen zu gewinnen. Wenn Ausbaumaßnahmen anstehen, machen wir deshalb öffentliche Informationsveranstaltungen für die Bürger. Da erläutern wir ausführlich, was wir projektieren, was wir alles für den Umwelt- und Naturschutz unternehmen, nehmen Hinweise der Bürger in unsere Planungen auf und versuchen transparent zu machen, dass der Netzausbau für die zukunftssichere Versorgung der Bürger und der Unternehmen und das Gelingen der Energiewende unabdingbar ist. Ohne Netzausbau kein Klimaschutz, keine Elektromobilität, kein umweltverträgliches Wachstum. Um das transparent zu machen, wünschen wir uns manchmal etwas mehr Unterstützung durch die Vertreter der Kommunen, die ja in der Regel auch unsere Anteilseigner sind.

Ohne Netzausbau kein Klimaschutz, keine Elektromobilität, kein umweltverträgliches Wachstum. Das müssen wir transparent machen."

– Ralph Litzkendorf, TEN-Bereichsleiter "Bau und Betrieb Strom"

Im Netzausbauplan 2019 heißt es, die TEN gehe nach dem NOVA-Prinzip vor. Was bedeutet das?

NOVA bedeutet „Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau“. Wir bauen also nicht gleich neue Leitungen, sondern loten zunächst alle Möglichkeiten aus, die Aufnahmefähigkeit des vorhandenen Netzes mit innovativer Technik zu optimieren. So haben wir beispielsweise das Netz mit Sensoren ausgestattet, mit deren Hilfe wir die temperaturabhängige Übertragungskapazität flexibel steuern und damit die Trassen durchschnittlich bis zu 30 Prozent höher auslasten können. Oder wir verstärken die Leiterseile. Nur wenn alle technischen Optionen ausgeschöpft sind, gehen wir an den Neubau. Das NOVA-Prinzip ist also nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch sehr sinnvoll, weil wir für das Energiesystem der Zukunft kaum zusätzliche landwirtschaftliche Flächen in Anspruch nehmen müssen.

Prüfen Sie bei den Ausbauplanungen auch Erdverkabelung?

Ja, bei jeder neuen Trassenplanung prüfen wir immer parallel Freileitung und eine mögliche Erdverkabelung. Das Energiewirtschaftsgesetz vom 5. August 2011 sieht in § 43h vor, dass wir nur dann eine Freileitung beantragen dürfen, wenn die Erdverkabelung mehr als das 2,75-Fache teurer ist als die Freileitung. Das ist meistens der Fall. Trotzdem werden wir in Einzelfällen auch Hochspannungsleitungen in die Erde legen. Es ist aber auch ökologisch nicht immer die beste Option. Während wir bei einer Freileitung nur wenige Stützpunkte für die Masten benötigen, müssen wir bei Erdverkabelung über längere Strecken den Boden austauschen. Die Erträge werden in den ersten Jahren nach der Verlegung wegen der geänderten Bodenstruktur und der Wärmeabstrahlung etwas geringer ausfallen. Deshalb sieht inzwischen auch die Landwirtschaft Freileitungsbau immer häufiger als bessere Option.

Wieviel wird die TEN in den nächsten Jahren in den Netzausbau investieren?

Im Rahmen unserer Mittelfristplanung für die kommenden drei Jahre haben wir für das 110-kV-Netz Investitionen in Höhe von 95 Mio. Euro vorgesehen. Hinzu kommen noch jährliche Aufwendungen für Wartung und Instandhaltung in Höhe von 2,5 bis 3 Mio. Euro. Wir bewegen hier als gewaltige Summen.